LEBENSLAUF
und Mehr:
Michil
è n’inom ladin; iö sun n ladin. Michil ist ein
ladinischer Name; ich bin Ladiner.
Meine
wahre Leidenschaft ist die große, weite Welt. Ich sehe mich
gern um in der Welt, lerne neue Kulturen und neue Orte
kennen. Ich wandere herum und schaue mir die Welt dabei an.
Manchmal betrübt mich, was ich sehe, und ich werde traurig.
Denn diese Welt scheint mir eine etrhekrev lteW zu sein.
Mitten in den Dolomiten aber, zusammen mit Giovanna und
meiner Familie, bin ich glücklich. Worin meine Kraft
besteht? Darin, dass ich einer aus den Bergen bin! Und das
soll Kraft sein? Wie auch immer, dass ich hier leben darf,
ist für mich ein großes Glück. Eine wahre Labsal für die
Seele ist es, sich in eine Hütte in den Bleichen Bergen zurückziehen
und mit der geliebten Partnerin über Projekte für
“unsere” Kinder in Tibet reden zu können. Ich liebe die
Stille. Allerdings nicht dann, wenn ich Musik höre. Rock
mag ich hämmernd laut, hart und klar. Früher mal war ich
ein militanter Punk. Doch je mehr Zeit vergeht, desto besser
gefällt mir die raffinierte, die weniger aggressive Musik.
Es ist kein Zufall, dass ich Frank Zappa für einen Musiker
der Extraklasse halte. Und ein Stück wie “Crëuza de Ma”
des Liedermachers Fabrizio de André wühlt mich innerlich
zutiefst auf. Ich bin Wirt und trinke Wein. Mich begeistert
der Tourismus, der einmal war. Und der Tourismus, wie ich
ihn gerne hätte: Leichter, sanfter, weniger markant und
verletzend. Und vor allem: so angelegt, dass er auf lange
Sicht Profit bringt. Und zwar für alle. Nicht nur für eine
Handvoll Glückspilze wie mich, die zufällig ein Restaurant
haben oder ein paar Betten zu vermieten. Gern bin ich mit
unseren Gästen zusammen, mit diesen Reisenden im Geiste: um
zu lernen, zu diskutieren, auch um zu streiten, genau. Denn
Sie müssen wissen, dass ich kein einfacher Typ bin. Ich
werde furchtbar wütend, wenn ich die Motorräder unsere Pässe
hinaufröhren höre und wie sie mit 150 Sachen in der Stunde
den Frieden der Rehe und auch den unseren zerreißen. Ich
rege mich ziemlich auf, wenn alte Gebäude abgerissen und
stattdessen moderne Scheußlichkeiten aufgebaut werden. Ich
bin gegen Weihnachtsbeleuchtung zu Maria Himmelfahrt. Mich
stört die Verschwendung. Die Trennung zwischen
italienischen und deutschen Schulen finde ich unerträglich.
Extremismus mag ich nicht, weder links noch rechts. Ich
komme mit allen gut zurecht, mit Italienern, Deutschen,
Indern und Brasilianerinnen. Na, das war ein kleiner Witz.
Doch ich bin gegen das Gutmenschentum, und das ist kein
Witz. Ich bin für das Gleichgewicht der Dinge, was sich
leicht anhört, aber offenbar so leicht nicht ist. Ein
bisschen gesunder Menschenverstand in der Politik, darüber
würde ich mich freuen. Und etwas mehr Respekt – für uns,
für die anderen, für die Natur. Was alles andere betrifft,
so können die Menschen meinetwegen auch mit einem Papagei
auf dem Kopf durch die Gegend spazieren oder den Fröschen
ein Gute-Nacht-Lied vorsingen. Freiheit muss sein. Die
Politik sollte die Leitlinien der Wirtschaft vorgeben und
dabei die Interessen der Gemeinschaft über die der
Privatleute stellen, nicht umgekehrt, wie es bei uns Südtirol
geschieht. Ich bin kein Politiker aus Berufung. Und erst
recht bin ich kein Diplomat, der um jeden Preis den Konsens
sucht. Ich habe da meine eigenen Ideen, obwohl ich mir nicht
einbilde, über die absolute Wahrheit zu verfügen, ganz im
Gegenteil. Tag für Tag versuche ich, etwas zu verändern,
denn mir ist klar geworden, dass man immerhin ein kleines Stück
Welt ändern kann und muss. Es geht, wenn ich bei mir, bei
wir bei uns anfangen. Denn wer sich nicht wandelt, der
verwandelt sich in Dolomitgestein. Giulan, Danke, dass Sie
mich gelesen haben. Wenn Sie darauf bestehen, können Sie
mich auch wählen. Ich habe in dieser Wahl keine persönlichen
Interessen, sondern möchte mich nur ein bisschen mehr für
die anderen einsetzen – das heißt, für uns, und für die
Natur der Dinge. Und für die Dinge der Natur.
Michil
Costa, Dolomites (die einzigen und wahren).
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